Förderfokus Effizienzquartiere: Wohnungswirtschaft als Wissenschafts-Partner

Kleinere Budgets, fehlendes Talent und mangelnde Daten lassen den Vorsprung US-amerikanischer Digitalkonzerne gegenüber deutscher Unternehmen immer größer werden. Diese recht allgemeine These betrifft auch die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Die Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Deep Tech Startups kann das Speedboat für die Entwicklung wettbewerbskritischer KI-Anwendungen in Deutschland sein. Ein gutes Beispiel ist das Projekt „QuarZ“, welches die Mieter der gewobau Rüsselsheim in den Vordergrund stellt.

„Zurecht gilt Künstliche Intelligenz (KI) als Querschnittstechnologie, die branchenübergreifend zu weitreichenden Veränderungen führen wird. Die Dringlichkeit, KI zum Einsatz zu bringen, haben viele Unternehmen erkannt. Oft fehlt es aber an Wegen, um einen tatsächlichen und nachhaltigen Wert für das Kerngeschäft zu generieren oder neue Geschäftsmodelle umzusetzen. Warum ist der Weg von der Forschung bis zur Umsetzung von KI in Unternehmen so weit und was sind erfolg-versprechende Ansätze KI zu implementieren? Bei dem Vorhaben gewinnbringende KI-Anwendungen zu bauen und einzusetzen, scheitern Unternehmen vornehmlich an drei Problemen: einer zu starren Kultur, fehlendem Talent und mangelnden Daten“, so Nicole Büttner vom Handelsblatt Journal.

Datenkonzentrator der Zukunft für die Wohnungswirtschaft? Die CLS-Schnittstelle des Smart Meter Gateways, Quelle: BSI

Dennoch gelingt es immer wieder, hier neue Duftmarken zu setzen. Mehr und mehr Wohnungsunternehmen öffnen sich für Innovationsprojekte in Quartieren. Doch es lohnt einen Blick auf die Initiatoren und den daraus resultierenden Einbezug von Vermieter- (B2B) und Mieter- (B2C) Interessen. Am Anfang stehen häufig Forschungs-Institute, Proptechs und Start-Up´s, die Grundlagenforschung in die Anwendung umsetzen wollen.

Deren erste Zielsetzung ist die Einwerbung von Fördergeldern für die Instituts- oder Unternehmensarbeit. So haben fördererfahrene Institute zusammen mit den Statdwerken Rüsselsheim ein „Quartier der Zukunft“ geplant und mit dem Antragstitel „QuarZ“ versehen. Die technologische Entwicklungsoptionen von Quartieren war hier fokussiert. All dies sollte in einem Quartier als Anwendungslabor gebündelt werden. Wo und mit welchem Quartier war zunächst kein Thema, vielmehr sollte das ideale Quartier durch Befragungen der Mieter identifiziert werden. Nicole Böttgers dazu: „Die skizzierten Probleme von Unternehmen bei der Umsetzung von KI-Projekten legen den Aufbau zentraler KI-Labore nahe. Während das Start up die Tech- und Schnittstellenkompetenz, aber auch die Fähigkeit zur Beurteilung von KI-Kompetenzen mitbringt, ermöglicht das Setup die Arbeit in internationalen Teams und mit spannenden und vielseitigen Themen…. Beide Ansätze schaffen Synergien bei der Modellentwicklung. Das Bündeln der Investitionsbudgets vereinfacht ferner die Umsetzung großer, strategischer Projekte. Das KI-Labor würde somit zentral den Aufbau proprietären KI-Wissens, exzellenter Teams und verbesserter Datenqualität sicherstellen. Während etablierte Unternehmen Daten haben….., bringen Deep Tech Star-tups die Expertise in KI mit und wissen, wie man daraus neue Geschäftsmodelle baut und beschleunigen die Entwicklungsarbeit.

Evaluation früher Pilotierungen in Quartieren mit dem Smart Meter Gateway, Quelle: green with IT

Maik Landwehr, Projektleiter bei den Stadtwerken Rüsselheim, skzzierte dazu die Eckpunkte des Projektes in einem kurzen Erklärfilm.

Die Prioritäten des Projektes zeigen, dass weniger die gewerbliche Wohnungswirtschaft als vielmehr Endkunden, sprich Häuslebauer fokussiert sind: Basis waren Nutzerbefragungen. So wurde z.B. die Installation intelligenter Messsysteme (als Voraussetzung für die Steuerung der Stromkosten) und die Installation einer Wetterstation inklusive Schallpegelmesser (als Voraussetzung für die Rolladensteuerung) oben auf die Investitionsliste des Projektes gelegt. Beides sind keine Vermieter-Themen: Stromkosten sind Angelegenheit der Mieter selbst; Rolladensteuerungen sind – mangels Masse – kein vordergründiges Handlungsfeld der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft. Zur Kommunikation wurden den Mietern extra Tablets gestellt. Dies beantwortet nicht die Frage, ob die Einbindung heutzutage bei den Mietern reichlich vorhandener „Sowieso“-Endgeräte (Tablets, Smartphones, Laptops, PC-Monitore) nicht doch praxisnäher für die Projektevaluation gewesen wären oder auch: würden Mieter aus eigener Tasche ein Endgerät bezahlen, wenn die Projektergebnisse in freie Marktprodukte münden? Und: sind 20 Tablets/Mieter nicht etwas schmal kalkuliert bei einem Gesamtprojekt-Aufwand von Mio.€ 3,8?

Kombinierte Vermieter- und Mieterplattform, Quelle: green with IT

Auch die völlige Neuentwicklung einer Quartiers-Plattform, die große Anteile der Projektsumme verschlingt, lässt die großen Eigeninteressen der Technologie-Initiatoren „aus der Wissenschaft“ erkennen. Hony soit, aqui mal y pense. Wären da nicht etwa Prozesse zur Auflösung des Vermieter-Mieter-Dilemmas zielführender gewesen, etwa am größten Haushaltsposten nach der Nettokaltmiete, der Heizwärme? Sollten da nicht etwa große Wohnungsunternehmen ihre schon reichlich selbst erforschten Produkte einmal „bündeln“ und so deren Insellage aufgeben?

Nun, hier wird auch erkennbar, dass ein Einbezug eines Wohnungsunternehmens in die Gesamtarchitektur eines solchen Projektes sinnvoll wäre. Ferner wird erkennbar, dass es für Wohnungsunternehmen reizvoll sein kann, selbst solche Projekte zu initiieren und ungelöste Zukunftsaufgaben aus Vermietersicht in den Vordergrund zu stellen.

Die vom Projektleiter skizzierte „übergeordnete Instanz, die alle Daten in Beziehung setzt“ ist aber völlig zutreffend eine Grundlage für zukünftige Geschäftsmodelle im Quartier. „Das Leben leichter machen“ ist eine gute Zielstellung. So hat denn auch Torsten Regenstein, Geschäftsführer der gewobau Rüsselsheim, der im Horlache Park rund 75 Prozent der projektbezogenen Wohnungen gehören, das Projekt begrüßt: „Das innovative Konzept und die komfortablen digitalen Dienste, die für die Mieter unserer Wohnanlage hier möglich sein werden, werten das Wohnquartier deutlich auf.“ Für das kommunale Wohnungsunternehmen ist es im Interesse der Mieter besonders wichtig, das die Wohnanlagen zukunftsfähig bleiben – und dazu gehören neben einer modernen und nachhaltigen Bauweise auch Haustechnik und Ausstattung. Regenstein verweist darauf, dass durch das „Quartier der Zukunft“ auch der Gemeinsinn unter den Anwohner gefördert wird. „Wir werden das Projekt gerne unterstützen.“

Markus Nebel, GF des Deep-Tech-Startups „Digitale Transformation OSW GmbH“ dazu: Wir suchen die Kooperation mit Wohnungsunternehmen für unser KI-Labor, dass wir aktuell in einem Sanierungsobjekt in einem früheren Industriekomplex aufbauen. Hier wird ein Bau-Informationszentrum entstehen, in dem digitale Früchte der Energieeffizienz live und sofort umsetzbar gezeigt werden. Ein Förderprojekt, welches all dies klammert und den Nutzen in eingesparten CO2-Tonagen, in gesteigertem Komfort und in messbarer Begeisterung der Mieter valide demonstriert, ist aktuell in Arbeit.

Zukunftsfähiges Digitalkonzept für Energieeffizienz in Wohnquartieren, Quelle: green with IT

Die Suche nach geeigneten Wohnungswirtschafts-Partnern ist gar nicht so schwer. Markus Nebel kann hier auf eine Reihe früherer Projektpartner zurückgreifen, die bereits erfolgreich disruptive Prozesse in Quartieren streng nach dem Nutzen für die Wohnungswirtschaft geordnet hatten und validieren konnten.

Die Wohnungswirtschaft beteiligt sich gern an solchen Projekten, ja, initiiert diese sogar wie etwa die degewo in Berlin mit dem Projekt „Innovationspreis“. Optimismus ist hier angesagt: Die neuen digitalen Geschäftsfelder etwa rund um das Thema der kommerziellen Nutzung des Smart Meter Gateways sind Grundlage zahlreicher regionaler, nationaler und internationaler Förderprogramme.

Wichtig: Zielstellungen aus wohnungswirtschaftlicher Sicht bringen besseren Praxisbezug und schnellere Massenmarkt-Tauglichkeit. Da ist noch Luft nach oben. Eine Chance für die Wohnungswirtschaft! Die Wissenschaft ist dazu idealer Partner mit all der vorhandenen Fördererfahrung; doch können vermieterorientierte Ziele vorab besser abgestimmt werden, damit beide Seiten profitieren: Mieter und Vermieter gleichermaßen!