Veranstaltung Wohnungswirtschaft: Autarkie als Schlüsselelement der Digitalisierung

Hohe staatliche Förderungen bei der schrittweisen Umsetzung in Quartieren

Die Energieversorgung von Quartieren ist im Wandel, dabei bleiben aber alte Submetering-Strukturen in der Datenkommunikation vielerorts erhalten. Hier sind zigtausende Gateways im Einsatz, die zwar für die Wohnungswirtschaft per Umlage kostenneutral sind, deren Schlüsselstellung für die Datenkommunikation jedoch in fremder Hand bleibt. Diese Hand ist immer dann fordernd geöffnet, wenn Services abseits des vertraglich gebundenen Submetering-Abrechnungsdienstes gefordert sind. Hier wird die Abhängigkeit der Wohnungswirtschaft von zukünftig strategisch wichtigem Nutzen offenbar: die freie und autarke Datennutzung basischer Energiedaten aus dem Quartier sowie weiterer mieterrelevanter Daten!

Wege aus diesem Dilemma wurden erstmals im Rahmen einer Web-Veranstaltung aus der Wohnungswirtschaft für die Wohnungswirtschaft am 24.02.2021 aufgezeigt: Bundesreferenten der wichtigsten gesetzgeberischen Stakeholder und des GdW referierten über den erkennbaren Handlungsrahmen; Wohnungsunternehmen lieferten Plakate mit ersten Umsetzungs-Beispielen ein und stellten sich der Fachdiskussion untereinander.

Quelle: Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Vortrag green with IT 24.02.2021

Die zunehmende Sektorenkopplung, die Elektrifizierung des Verkehrs sowie der Wärmeversorgung und steigende Kältebedarfe in Wohn- und Nichtwohngebäuden führen zu einer stetig wachsenden Komplexität des Gesamtsystems. Gleichzeitig wächst durch eine fortschreitende Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche die Verfügbarkeit von Daten und Schnittstellen für die Ansteuerung von smarten Systemen. Die Lösung globaler Herausforderungen wie der Reduktion von CO2-Emissionen liegt in der intelligenten Nutzung der technischen Möglichkeiten mit dem Ziel, die steigende Komplexität nutz- und beherrschbar zu machen.

Das Schlüsselwort hier lautet: Spartenübergreifende Transparenzsteigerung! Gemeint sind hier die tatsächlich nun schon existierenden Ausbaumöglichkeiten des Energiemanagements, die Schaffung zunehmender Transparenz bei der Messdatenkommunikation (die neue HeizKVo lässt grüßen) bei gleichzeitiger Umsetzung von Mehrsparten-Messungen.

Eine Schlüsseltechnologie sind Energiemanagementsysteme. Dies sind zentrale Einheiten, auf denen sämtliche Daten aus einem Energiesystem zusammenlaufen, verarbeitet werden und zielgerichtete Entscheidungen zum Betrieb des Systems getroffen und zurück in das System geschrieben werden. Hierdurch wird es nicht nur möglich, sämtliche verfügbare Daten zu nutzen, sondern auch die Vorhersage dynamischer Randbedingungen, wie die Wettervorhage in die Betriebsführung einzubinden. Das Digitale Quartiersenergiemanagement hat zum Ziel ein Energiesektor übergreifendes ökologisches und ökonomisches Optimum für den Betrieb ganzer Quartiere zu erzielen.

Alle für das Zusammenspiel dieser Datenströme erforderlichen Komponenten sind in der Wohnungswirtschaft bereits vorhanden, bedürfen aber einer grundsätzlichen Neukalibrierung: Autarkie ist hier sofort möglich. Erforderlich dazu ist ein grundsätzliches „Neudenken“ aller vorhandenen Strukturen aus Submetering-Gateways, Stromkabeln im Treppenhaus, einfachsten Datensammlern ohne Netz-Erfordernis bei gleichzeitiger Sammlung und Vorbuchung aller abrechnungsrelevanten Daten der Nebenkosten.

Dr. Ingrid Vogler , Referention Technik beim GdW, skizzierte die Anforderungen, die auf die Wohnungswirtschaft zukommen, auf der Online-Tagung des Netzwerks „green with IT“ am 24.02.2021 wie folgt:

  • Stetig wachsende Anforderung, beim Klimaschutz Ergebnisse vorzuweisen
  • Weiter steigende Klimaschutzzwischenziele (2030)
  • Sofortprogramme bei Überschreitung der Jahresemissionsmengen nach dem Klimaschutzgesetz
  • Herausforderung hohe CO2 -Preise ab 2026
  • Politischer Streit um: Effizienzanforderungen, Gasnutzung für die Wärmeerzeugung, • Wasserstoffverwendung
  • Die Politik plant, mit steigenden CO2 -Preisen die Förderung abzuschmelzen und die  Abschaffung der EEG-Umlage

Die Empfehlung zum Handlungsrahmen lieferte Frau Dr. Vogler gleich mit: ausreichende verlässliche Förderung für den Steuerungsindikator „CO2-Minderung“, Fachinformationen, Arbeitshilfen (wie etwa die AH 85 des GdW) zu den Themen CO2-Preis und Monitoring, GEG, Geislinger Konvention, der BBU-Klimabilanz 2018 u.a.

Quelle: Dr. Ingrid Vogler, Vortrag green with IT 24.02.2021

Die Wohnungswirtschaft als Förder-Stiefkind ist Vergangenheit

Die Finanzierzungsfrage nahm Dr. Stefan Krengel, Leiter „Energieeffizienz für Quartiere“ vom Referat ESN3 des Projektträgers Jülich (PtJ) zum Anlaß, um aktuelle, weitreichende Förderungen des Bundes als „Mutmacher“ zu präsentieren:

Quelle: Dr. Stefan Krengel, PtJ, Vortrag green with IT am 24.02.2021

Konkret werden beim BMWi im Rahmen des „7. Energie-Forschungsprogramms“ nun die Schwerpunkte „Energiewende-Bauten, Reallabore der Energiewende, Praxisbeispiele und „Digitalisierung und Kommunikationstechnologie“ an Einzelprogrammen wie etwa „KomTechE“ gefördert. Ist das letztgenannte Programm ein zeitlich eng befristeter Antragsrahmen, so ist doch das 7. FRP in sich ein offenes, langjährig ausgelegtes Instrument, welches mit Mio. € 450 pro Jahr ausgestattet ist; Tendenz: steigend!

Förderschwerpunkte der „Energiewendebauten“ sind:

  • Energiewende in den Sektoren „energieoptimierte Gebäude, im Quartier und Versorgungskonzepte mit Wärme und Kälte“
  • Starker Fokus auf die WoWi-Umsetzer vor Ort mit dreistufigen Förderkonzepten Planen-Umsetzen-Monitoring
  • Offene Verfahren mit Einreichungs-Optionen jederzeit

Zentraler Diskussionspunkt auf der Veranstaltung war die zukünftige Behandlung der „Anwendungen“, die nach dem Selbstverständnis der Projektträger keine großen Anteile der „Grundlagenforschung“ (wie früher per Definition üblich) beinhalten sollen. Zulässig bei neuen Anträgen sind Quartier-Gestaltungen ohne solche Forschungsinhalte. Als Beispiel dafür zeigte Rainer Wiggers von der Netcom CS eine neue Treppenhauslampe („Flurfunk“), die ein sicheres Kom-Modul enthält und sämtliche telemetrische Daten datenschutzkonform und nach BSI-Grundschutz zertifiziert einsammelt und der Wohnungswirtschaft zuarbeitet:

Alle bisher üblichen Netze, ob LORA, 5G, GPRS, GSM o.ä. werden überflüssig; die Treppenhaus-Elektrokabel reichen. Solche Anpassungs-Vorhaben sind völlig ausreichend, um einen „Rest-Forschungsbedarf“ im Sinne einer Zuwendung nachzuweisen. Dies und weitere Innovationen präsentierten diverse „Proptech´s“ in kurzen 5-min-Pitches, deren Inhalte im Rahmen einer Web-Zusammenstellung dokumentiert wurden:

Proptech-Pitches

Was früher Mess-Dienstleister erledigten, wird hier von den Förderern der neuen „Autarkie“ praxisnah dargestellt. Umsetzbarkeit? Sofort!

Den Beweis dafür erbrachten die teilnehmenden Wohnungsunternehmen selbst. Vielerlei Innovations-Ansätze wurden im Rahmen einer Plakat-Ausstellung klar: Einsparung „Grauer Energie“, Ausrichtung auf 0-Emissions-Quartiere, Implementierung autarker Gateway-Lösungen und deren Nutzen sowie mieter-orientierte Datenkommunikation waren Gegenstand intensiver Diskussionen der präsentierten Inhalte:

Plakat-Präsentationen der Wohnungswirtschaft

Nun sind Akteure aus der Wohnungswirtschaft gefragt. Mit einem „Förderbrief“ unterstützt des Netzwerk „green with IT“ die Branche und all ihre Akteure aus den Verbänden, Ausschüssen und Projekten wie „IW 2050“. Das zentrale Gestaltungsthema lautet: „Am Tisch mit allen Abteilungen“.

Die Politik hat erkannt, wie wichtig die Wohnungswirtschaft als Mittler zum Endnutzer ist. Man mag rückblickend kritisieren, dass diese Erkenntnis einige Jahre zu spät kommt, doch nach vorn gerichtet gilt es nun, die ausgestreckten Hände zu nutzen und entsprechende Anträge einzureichen.

Weitere Mutmacher dazu sind erfolgreiche erste Pilot-Umsetzungen in wohnungswirtschaftlichen Quartieren, die gleich zu Beginn auf volle „Autarkie“ ausgelegt wurden und sich somit von Projekten unterscheiden, die von Mess-Dienstleistern dominiert werden.

Aber auch ohne Förderungen gilt: Die größeren Unternehmen machen es vor, mittlere und kleinere Unternehmen lernen davon! Jedes gute Beispiel, jedes Plakat bietet wichtige Informationen dazu, wie Wohnungsunternehmen in Zukunft alle Optionen der eigenen Datenkommunikation nutzen können. Die Instrumente dazu sind sogar fast überall schon reichlich vorhanden: der überwiegende Teil der Abrechnungen warmer Betriebskosten wird bereits auf Basis funkbasierter Sammel-Gateways erledigt. Diese können mit sehr geringem Aufwand nun selbst betrieben werden; dabei werden die tief hängenden Früchte der Digitalisierung geerntet. Gebühren dafür müssen nicht entrichtet werden; es können sofort Einsparungen im Bereich der Heizenergie-Erzeugung, der Senkung von CO2-Potenzialen eingefahren und an die Mieter weiter gegeben werden.

Dr. Ingrid Vogler, GdW
Dr. Stefan Krengel, PtJ
Michael Puchoweczki, BSI
Jörg Lorenz, green with IT