Studie: Energetische Sanierung aller Berliner Wohngebäude kostet 91 Milliarden Euro
Quelle: BBU vom 08.06.2020
Berlin hat sich beim Umweltschutz ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis zum Jahr 2050 will die Stadt klimaneutral sein. Dazu muss der gesamte CO2-Ausstoß um rund 95 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Eine wesentliche Rolle für das Erreichen der Klimaziele spielt die energetische Sanierung von Gebäuden, denn Häuser und Wohnungen sind aktuell für etwa die Hälfte der CO2-Emissionen der Stadt verantwortlich. Eine Studie der Nymoen-Strategieberatung im Auftrag der Initiative Wärmewende hat nun erstmals berechnet, welche Investitionen notwendig sind, um bis 2050 den Berliner Wohngebäudebestand energetisch zu sanieren. Die Initiative Wärmewende ist ein Zusammenschluss aus Kammern, Verbänden und Energiedienstleistern. Die Mitglieder unterstützen das Ziel eines klimaneutralen Berlins 2050.
Als wichtige Multiplikatoren und Vertreter der Berliner Wirtschaft möchte die die Initiative dazu beitragen, die großen Einsparpotenziale des Berliner Wärmemarktes möglichst schnell und effizient zu heben.
Demnach sind in den kommenden 30 Jahren insgesamt Ausgaben von 91 Milliarden Euro nötig, also drei Milliarden Euro pro Jahr. Vermieter einer Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus müssen demnach pro Quadratmeter und Monat mit 2,89 Euro Extrakosten für die energetische Sanierung kalkulieren.
Nach dem Mietendeckel-Gesetz des Berliner Senats darf allerdings während der Geltungsdauer des Mietendeckels nur ein Euro pro Quadratmeter und Monat auf die Miete umgelegt werden. Angesichts der hohen Summen, die die Vermieter nun weitgehend allein schultern müssten, befürchtet die Initiative Wärmewende, dass die Klimawende im Gebäudesektor ausgebremst wird.
Denn weitere nötige Ausgaben für Instandhaltung und Modernisierung der Wohnungen sind bei den Berechnungen noch gar nicht berücksichtigt – etwa der barrierefreie Umbau oder Verbesserungen beim Brandschutz. Das Nymoen-Gutachten veranschlagt dafür noch einmal 54 Milliarden Euro, die zu den 91 Milliarden Euro für die energetische Sanierung hinzukommen. Der gesamte Sanierungsaufwand in der Hauptstadt liegt also bis zum Jahr 2050 bei 145 Milliarden Euro.
Bei der Kalkulation der Gesamtkosten hat Nymoen die Berliner Gebäude nach verschiedenen Haustypen und Baujahren klassifiziert. Ein Gebäude gilt als klimaneutral, wenn es den KfW-40-Standard erreicht. Dabei handelt es sich um eine Norm für Energiesparhäuser, die die Kreditanstalt für Wiederaufbau in ihren Förderkriterien definiert hat.
Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg:
„Der Klimaschutz ist nicht nur ein wichtiges Ziel für die Unternehmen, er ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Mit ihrem aktuellen Kurs wird die rot-rot-grüne Regierung ihre Klimaziele aber klar verfehlen. Der Mietendeckel bremst den Klimaschutz aus – damit konterkariert die Koalition ihre eigenen Ziele.“
Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Berlin:
„Die energetische Gebäudesanierung ist ein entscheidender Hebel für das Erreichen der Klimaschutzziele. Die nun erstmals vorliegenden Berechnungen zeigen aber auch, dass die Umsetzung eine immense finanzielle Kraftanstrengung erfordert. Die Berliner Politik muss sich nun entscheiden, wie ernst ihr der Klimaschutz wirklich ist. Mit dem aktuellen politischen Setting wie dem Mietendeckel und ohne eine faire Lastenverteilung bei den Kosten fällt die notwendige energetische Gebäudesanierung als wichtiger Hebel für das Erreichen der Klimaschutzziele sonst aus. Im Übrigen auch als konjunktureller Impuls für die Wirtschaft.“
Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin:
„Das Handwerk mit seinen fachkompetenten Betrieben nimmt seine Aufgabe als Klimaschützer sehr ernst. Berlins Klimaziele mit einem quasi klimaneutralen Gebäudebestand können nur durch eine deutliche Steigerung der Sanierungsquote im Bestand erreicht werden. Der Mietendeckel ist hierbei natürlich kontraproduktiv, weil er nicht nur die Mieten, sondern auch die notwendigen Investitionen bei der energetischen Sanierung limitiert.“
Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der Innung Sanitär, Heizung, Klempner, Klima:
„Dem SHK-Handwerk fällt bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu, denn wir sorgen mit hochqualifiziertem Personal für eine stetige Umsetzung. Allerdings sind die erforderlichen komplexen Modernisierungsarbeiten unter den Bedingungen des Mietendeckels nicht darstellbar.“
Dr. Gerhard Holtmeier, Vorstandsvorsitzender der GASAG AG:
„Die Verschiebung energetischer Sanierungsmaßnahmen wird zu noch größeren Anstrengungen zu einem späteren Zeitpunkt führen. Um die Ziele zu erreichen, müssen nun schnell neue Ideen für die Modernisierung entwickelt werden.“
Maren Kern, Vorstand des BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.:
„Bezahlbares und gutes Wohnen ist ein Hauptfokus der sozialen Wohnungswirtschaft im BBU. Die heute vorgelegte Studie macht deshalb deutlich: Berlin muss jetzt ernstmachen mit einer klaren und widerspruchfreien Klimaschutzstrategie. Dazu gehört insbesondere die Vermeidung von Zielkonflikten. Weder Mieter*innen noch Vermieter*innen dürfen durch die notwendigen Klimaschutzinvestitionen überfordert werden. Wenn Berlin klimaneutral werden will, muss das Land eine massive finanzielle Unterstützung bereitstellen.“
Auch McMakler hat zu diesem Thema eine interessante Grundlagen-Studie veröffentlicht, die hier ins Detail der primärenergetischen Situation geht und den aktuellen IST-Zustand der Energieklassen feinteilig reflektiert; dabei auch konkrete Ausblicke in die zukünftigen Handlungsrahmen gibt:
https://www.mcmakler.de/research/politik-und-regulierung/energieeffizienz-2022