Smart Readiness Indikator – Bewertungsschema für intelligente Gebäude

Auszüge aus dem Bericht von Achim Knotzer, Details in der Fußnote

Die EU-Kommission möchte auf Basis des „Clean Energy for All Europeans“-Maßnahmenpakets von 2016 intelligente Gebäudetechnologien mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien im Energiesystem und mit Energieeffizienz verschränken. Dazu soll die Bewertung durch einen Smart Readiness Indicator (SRI) beitragen, dessen Einführung mit der letzten Änderung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) 2018 beschlossen wurde. Ein aktueller, dritter Zwischenbericht wurde im Februar 2020 vorgelegt.

Die EU-Kommission wird 2020 ein Bewertungsschema inklusive Definition und Methodik der Berechnung des SRI vorlegen. Ein Konsortium mit dem Flemish Institute for Technological Research NV (VITO), EnergyVille undWaide Strategic Efficiency (kurz VITO-Konsortium) arbeitet für die EU-Kommission derzeit einen Vorschlag aus. Eine deutsche nationale Spezifizierung existiert aktuell nicht; wie auch die für den März 2020 vorzulegende nationale Umsetzung der EPBD-Richtlinie in das nationale Gesetz (hier: GEG) immer noch auf sich warten läßt. Doch gibt es hier die Option, einmal beim Nachbarn über den Zaun zu schauen:

Die nationale Spezifizierung des SRI für Österreich war Inhalt einer 2019 fertiggestellten Studie. Im Austausch mit dem IEA EBC Annex 67 zu energieflexiblen Gebäuden, den zuständigen Personen der EU-Generaldirektion Energie, dem VITO-Konsortium und den nationalen Stakeholdern wurde ein Vorschlag mit eindeutiger Zielrichtung „Dekarbonisierung des Gebäudebereichs“ ausgearbeitet.

Grundlagen und Zielsetzungen des SRI seitens der EU

Die EU-Gebäuderichtlinie sieht in den Änderungen von 2018 einen Smart Readiness Indicator (SRI) vor, der zeigen soll, wie gut ein Gebäude in Bezug auf technologische Ausrüstungsmerkmale wie intelligente Zähler oder Automationssysteme auf ein dekarbonisiertes, erneuerbares Energiesystem vorbereitet ist und dabei auch seine Gesamtenergieeffizienz verbessert. Die Methodik des SRI soll sich auf drei Hauptmerkmale eines Gebäudes stützen:

  • Die Fähigkeit, die Gesamtenergieeffizienz und den Betrieb des Gebäudes aufrechtzuerhalten, wenn gleichzeitig der Energieverbrauch an die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen angepasst wird.
  • Die Fähigkeit, den Betriebsmodus auf den Bedarf der BewohnerInnen abzustimmen, wobei auf Benutzerfreundlichkeit, die Aufrechterhaltung eines gesunden Raumklimas und die Fähigkeit,
    den Energieverbrauch aufzuzeichnen, zu achten ist.
  • Die Flexibilität des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes, einschließlich seiner Fähigkeit, die Teilnahme an einer Laststeuerung in Bezug auf das Netz zu ermöglichen, zum Beispiel durch Flexibilitätspotenziale und Kapazitäten zur Lastverschiebung.

In sogenannten „Topical Groups“ arbeitete das VITO-Konsortium bis Februar 2020 mit verschiedenen Stakeholdern an der Fertigstellung der Berechnungsmethodik. Die Grundlage bildet ein Technologie- und Dienstleistungskatalog, der hauptsächlich auf Normen und ExpertInnenwissen basiert und bereits 2018 veröffentlicht wurde. Der SRI soll laut VITO-Konsortium in drei Stufen erstellt werden können:

Die 1. Stufe „Simplified online quick scan“ ist dabei eine Art Online-Selbsteinschätzung bzw. „SRI light“,

die 2. Stufe „Expert SRI assessment“ wird von einer Auditorin bzw. einem Auditor durchgeführt und die

3. Stufe betrifft die Gebäudeperformance im Betrieb „In use smart building performance“.

Die Bewertungsmethodik seitens der EU hat derzeit nur die Ausstattung mit
Technologien und Services sowie deren Interoperabilität und Datensicherheit im Fokus, sagt aber nichts über die Performance derselben im Gebäudebetrieb aus. Daher wäre mittelfristig die Einführung eines SRI über die Bewertung von Realdaten analog der oben genannten 3. Stufe des SRI überlegenswert.
Dabei müsste aber die Berechnungsmethodik des Energieausweises insgesamt überdacht, geeignete Indikatoren überlegt sowie die Integration von Realdaten ermöglicht werden. Hier die österreichische Position:

Dieser Vorschlag für den Smart Readiness
Indikator (SRI) beruht auf den drei Säulen Flexibilität
und Lastverschiebung, energieeffizienter Betrieb inkl.
Erneuerbare und Bedarf der NutzerInnen

Es wurden vier Wirkungsbereiche definiert, an denen sich Bewertung und Gewichtung der Säulen orientieren:
– Nachhaltigkeit des Gesamtsystems (bezüglich CO2-Emissionen und Primärenergiebedarf)
– Energieflexibilität / Netzdienlichkeit
– Gesundheit, Wohlbefinden und Komfort
– Information, Wartung, Fehlerwarnung,
– AnwenderInnenfreundlichkeit,
– Eingriffsmöglichkeiten.

Zur Bewertung von Flexibilität und Lastverschiebungspotenzial wurden Indikatoren in Bezug auf thermische und elektrische Lasten, thermische und elektrische Speicher sowie Aktivierung von Speichermassen für unterschiedliche Energieanwendungen wie Heizung, Kühlung, Warmwasser oder Beleuchtung im Gebäude entwickelt (1. Säule). Als Alternative zur Bewertung der Netzdienlichkeit und des Speichervermögens eines Gebäudes könnten in der 1. Säule auch die entwickelte SRI-Berechnungs-Methode [3] oder das im Rahmen von klimaaktiv entwickelte „Speicherkriterium“ als Indikatoren herangezogen werden.
Für die Bewertung von intelligenten Ausrüstungsmerkmalen (2. Säule) wird die Methodik des VITOKonsortiums zur Berechnung des SRI in Österreich übernommen. In Österreich relevante Dienstleistungen und Technologien, wie z. B. Bauteilaktivierung oder Ladestationen für Elektromobilität werden für die wesentlichen Energieanwendungen im Gebäude in drei Gewichtungsstufen bewertet. Dienstleistungen und Technologien (Services) mit hoher Lebensdauer, die nicht leicht nachgerüstet, entfernt oder verändert werden können, zum Beispiel thermische Speicher oder Bauteilaktivierung, werden am höchsten bewertet.
Die Technologien und Dienstleistungen der Säule 2 weisen außerdem Funktionalitätsstufen von 0 bis max. 4 auf, wobei am Beispiel Bauteilaktivierung die Funktionalitätsstufe 0 bedeutet, dass diese Technologie keine Smartness (keine Regelbarkeit) aufweist.

Funktionalitätsstufe 4 bedeutet im Zusammenhang mit Bauteilaktivierung eine lernende zentrale Regelung mit integrierter Einzelraumtemperaturrückmeldung.
Die Technologien und Dienstleistungen wurden mit ihren Funktionalitäten in Anlehnung an den VITO-Servicekatalog zusammengefasst.

Zusammenfassende Gewichtung

Sind alle drei Säulen bewertet, können sie untereinander noch gewichtet werden. Damit für ein Gebäude ein SRI-Rating im Energieausweis ausgewiesen werden kann, muss es einen guten energetischen Standard aufweisen. Dies soll sicherstellen, dass sich ein Gebäude mit höheren CO2- und PEB-Werten keine „Smart Readiness“ trotz hoher Umweltbelastung zuschreiben kann. Diese Grenzwerte sollten national abgestimmt werden. Wie der SRI in den Energieausweis integriert werden könnte, zeigt die abschließende Abbildung – dabei ist natürlich der Stellenwert, dem der SRI beigemessen wird, relevant: Im nationalen Vorschlag Österreichs soll der SRI einen ähnlichen Stellenwert wie der Primärenergiebedarf haben, noch wichtiger sollten aber Heizwärmebedarf und CO2-Emissionen bleiben.

Fazit und Ausblick auf den SRI von Gebäuden

Hauptergebnis der Studie war eine Entscheidungsgrundlage und Unterstützung für die nationale politische Umsetzung eines SRI sowie eine mögliche Einbindung in den Prozess der Energieausweiserstellung. Auf dieser Basis arbeitet u.a das österreichische Klimaschutzministerium (BMK) derzeit an der nationalen Umsetzung. Die erarbeiteten Grundlagen des SRI Austria-Vorschlags zur Berechnungsmethodik sollten ebenso wie der Vorschlag, der inzwischen vom VITO-Konsortium ausgearbeitet wurde, umfassend getestet, detailliert und für verschiedene reale Gebäude berechnet werden.
Mittelfristig wäre die Einarbeitung der Ziele des SRI in die Energieausweisberechnung selbst bzw. das Hinterfragen der derzeitigen Kenndaten des Energieausweises, eine Stärkung dynamischer Verfahren, das Einbeziehen von Realdaten zur besseren Einschätzung und eine Validierung der Kennzahlen anzudenken. Auch die Öffnung des Energieausweises in Richtung Quartiere oder Gebäudeclusterebene wäre zu diskutieren, da Energieflexibilitäten in Siedlungen oder Quartieren mit der Einbeziehung von Nachbargebäuden noch effizienter genutzt werden können.

Integration des Smart Readiness-Indikators in den Energieausweis

Eine ähnlich detaillierte Studie deutscher Ministerien (BMWi für Energie, BMI für Bau, BMU für Umwelt) wäre wünschenswert.

Auszüge aus dem Bericht von Achim Knotzer, erschienen in der Publikation „Nachhaltige Technologien“ des AEE Instituts für nachhaltige Nechnologien 01/20