Smart-Meter-Rollout: Was bringt er der Wohnungswirtschaft?

Von Frank Urbansky, freier Journalist

Der Smart-Meter-Rollout lässt Energieversorger und Wohnungsunternehmen zusammenrücken. Messdienstleister müssen zumindest beim Strom einen Teil ihres Geschäfts abgeben. Doch dabei wird es nicht bleiben. Für die Wohnungswirtschaft ergeben sich Chancen und neue Geschäftsfelder.

Derzeit spielt der Smart-Meter-Rollout in der Wohnungswirtschaft noch keine große Rolle. Kein Wunder, denn die 6.000 kWh elektrischer Energie, für die ab diesem Jahr die digitale Messung verpflichtend ist, werden von kaum einem Bewohner verbraucht. Zunächst werden wohl lediglich zehn Prozent aller Wohnungen erfasst, bevor der Rollout flächendeckend erfolgen kann.

So ergab eine kleine Umfrage unter Wohnungsunternehmen im Zuge der Recherchen für diesen Artikel mehrheitlich, dass es derzeit keine Aktivitäten zur Umsetzung des Smart-Meter-Rollouts gebe und diese auch nicht geplant seien. Damit vergibt die Wohnungswirtschaft jedoch eine Chance auf neue Geschäftsfelder. Denn bei der Digitalisierung, von der der Smart-Meter-Rollout nur ein kleiner Teil ist, geht es um alle Daten der Immobilie und deren kommerzielle Nutzung. Wer sich daran nicht beteiligt, wird bei den sich bietenden Geschäften außen vor bleiben.

„Der Smart-Meter-Rollout kommt auf jeden Fall. Ich würde der gesamten Wohnungswirtschaft empfehlen, sich damit zu beschäftigen.“ Severin Beucker, Geschäftsführer Institut Borderstep, Berlin

Wohnungswirtschaft und Smart Meter: Ein erstes Herantasten

Einige digitale Vorreiter der Branche erkunden bereits das unbekannte Terrain. Die Vivawest Wohnen GmbH befindet sich derzeit in einem Feldtest, der noch im Frühjahr 2020 abgeschlossen sein soll. Die Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft aus Frankfurt am Main hat zwar noch keine abgestimmte Strategie zu dem Thema, stellt allerdings konkrete Überlegungen an, wie der Rollout moderner Messeinrichtungen und intelligenter Messsysteme zu bewältigen und mit der eigenen Messdiensttochter zu nutzen wäre. Und Großvermieter Vonovia SE, der auch über eine eigene Messdienstleistungstochter verfügt, ging das Problem schon an.

„Auf Funkfernauslesung basierende Messsysteme werden durch die Vonovia bereits seit 2016 flächendeckend als Geschäftsmodell, sofern baulich möglich, eingesetzt.“ Silke Hoock, Unternehmenssprecherin Vonovia SE

Würden in einer Liegenschaft neue Zähler und Heizkostenverteiler installiert, seien diese in der Regel fernauslesbar, wenn dies technisch machbar, kosteneffizient und im Hinblick auf Energieeinsparungen verhältnismäßig sei, sagt Hoock. Vonovia würde damit den Forderungen des Gesetzgebers gerecht. Prozesse könnten effizienter gestaltet und mehr energetische Einsparungen vorgenommen werden.

Dabei zeigt sich gerade anhand des Smart-Meter-Rollouts, was digital alles möglich ist. In wenigen Jahren werden alle Stromverbräuche von Mietern digital erfasst. Das ermöglicht zum einen eine unterjährige Verbrauchsinformation, wie sie die neue EU-Energieeffizienzrichtlinie ab Oktober 2020 sowieso fordert. Es macht aber auch eine intelligente Steuerung von eigener Stromerzeugung und ortsnahem Verbrauch überhaupt erst möglich. Anhand der übers Jahr ermittelten Verbrauchsdaten lassen sich etwa die Leistungen eigener geplanter Photovoltaik-Anlagen oder die Kraft-Wärme-Kopplung zur Produktion von eigenem Strom bemessen. Beantwortet werden kann so auch die Frage, ob ein Stromspeicher innerhalb einer solchen Anlage nötig ist und wenn ja, wie groß der ausfallen müsste. Und man kann prognostisch ermitteln, wann teure Netzbezüge nötig sind und wann der günstigere Eigenstrom zur Verfügung steht. So lassen sich Tarife generieren, die unter denen der örtlichen Grundversorger liegen – ein gutes Verkaufsargument.

SMART-METER-ROLLOUT STARTET
2016 wurde mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende das digitale Erfassen der Stromverbräuche beschlossen. Smart Meter sollen möglichst flächendeckend in Firmen und Haushalten installiert werden. Doch erst Ende 2019 konnte der Rollout starten, beginnend mit Verbrauchern von mehr als 6.000 kWh im Jahr. Der Grund lag in der fehlenden Zertifizierung der Gateways, also der übergeordneten Datensammler, durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Beschrieben ist die Technologie im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), das die Netzbetreiber in die Pflicht nimmt. In den kommenden Jahren folgen Verbraucher unter 6.000 kWh. Diese müssen zumindest mit modernen Messsystemen ausgerüstet werden. Neubauten und Renovierungen im Sinne der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz müssen mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden. Festgelegt sind auch die Kosten: Für den Betrieb der Messeinrichtungen dürfen nicht mehr als 30 Euro pro Jahr und Zählpunkt in Rechnung gestellt werden.

Wohnungswirtschaft und Smart Meter: Daten für neue Geschäfte kennen

Wenn die Wohnungswirtschaft diese Daten nicht kennt, wird sie das Geschäft Dritten oder im besten Falle noch Contractoren überlassen müssen. Ein Nebeneffekt wird aber auf jeden Fall das Wegfallen des Ablesens sein – durch einen Dienstleister oder die Mieter selbst. Das wiederum schlägt gleich eine weitere Fliege mit der gleichen Klappe, denn immer weniger Mieter sind bereit, auf einen Ableser zu warten. Ein weiterer Effekt: Die gesamte Prozesskette, von der Energielieferung über die Verbrauchsmessung, deren Erfassung und Berechnung bis hin zur Rechnungslegung, lässt sich dank Digitalisierung automatisiert gestalten. Das vergünstigt den bisherigen Prozess und verringert die Fehlerquelle. Allerdings bleibt die Prozesskette komplex und erfordert entsprechendes Know-how, dessen Aufbau nur für sehr große Wohnungsunternehmen ideal ist. Doch wenn dies geschieht, winkt langfristig ein tragfähiges Geschäftsmodell. Für kleine und mittelgroße Vermieter könnte sich die Partnerschaft mit einem Dienstleister lohnen.

Was im Strommetering nur wenige Vorteile bringt, da die Einsparpotenziale lediglich rund zehn Prozent der gesamten im Haushalt verbrauchten Energie betreffen, sieht bei der Wärme ganz anders aus: Hier werden mehr als 40 Prozent der gesamten Energie verbraucht und bezahlt.

Wohnungswirtschaft und Smart Meter: Mehr Effizienz durch digitale Wärmemessung

Ein digitales Metering hätte deutlich stärkere Effekte, auch wenn dies (noch) nicht staatlich vorgegeben ist. Gerade bei der Wärmemessung geht es nicht nur um mehr Effizienz, sondern vor allem um geringere Kosten. Der Marktwächter Energie, eine Einrichtung des Bundesverbandes Verbraucherzentralen, prüfte 2019 genau 1.696 Heizkostenabrechnungen. Mehr als die Hälfte der Verbraucher bezahlte im Verhältnis zu ihren Heizkosten zehn Prozent und mehr für die Ablesedienstleistung. Fast jeder vierte Mieter zahlt sogar 15 Prozent und mehr. Sprich: Die Ablesedienste verdienen nicht schlecht. Doch auch bei den Wärmemengen zeichnen sich staatliche Vorgaben zur Messung ab.

Die Novellierung der Energieeffizienzrichtline (EED) sieht vor, dass Funkmesstechnik in der Wohnungswirtschaft Pflicht wird – ab Oktober 2020. Bis 2027 müssten dann alle Zähler und Heizkostenverteiler so umgerüstet werden, dass sie fernauslesbar sind. Damit kann eine weitere Bedingung der EED erfüllt werden: Ab 2022 müssen Mieter auch unterjährig über ihre Verbräuche für Heizung und Wasser informiert werden. Verzögerungen sind jedoch zu erwarten, wie beim Smart-Meter-Rollout fehlt es derzeit an geeigneten Standards und Geräten sowie an einem Zertifizierungsverfahren für diese. Dennoch ging etwa Energieversorger Vattenfall in Berlin das Problem schon vor zwei Jahren an und installierte für die rund 1,2 Millionen Fernwärmekunden an seinen 2.000 Kilometer langen Fernwärmenetzen insgesamt 20.000 Netzinformationspunkte. Die steuern die Verteilung und messen gleichzeitig die Verbrauchsdaten der Abnehmer. Alle 15 Minuten werden Temperatur, Druck und Durchflussmenge erfasst und als funkbasiertes Signal an eine Leitwarte gesendet. Jeder Kunde kann so eine maßgeschneiderte Wärmeversorgung erhalten oder sein Nutzungsverhalten anpassen.

„Die Digitalisierung der Metering-Zähler bei Gas, Fernwärme oder anderen Wärmequellen beschleunigt die Rechnungslegung am Jahresende und damit auch die Heizkosten- Abrechnung.“ Michael Mahlich, Leiter Immobilienservices bei der MET Medien-Energie-Technik Versorgungs- und Betreuungsgesellschaft

Zur Ausgestaltung der unterjährigen Verbrauchsinformation gebe es seitens des Gesetzgebers noch keinen belastbaren Hinweis. Bei seinen Kunden aus der Wohnungswirtschaft würde die AMR (Automated Meter Reading)-Technik auf 868 Mhz-Basis eingesetzt. Wünschenswert wäre ein offener interoperabler OMS (Open Metering System)-Standard, wie er auch von Stadtwerken gefordert wird. Einsparpotenziale sieht Mahlich bei der unterjährigen Verbrauchsinformation aber begrenzt. Auch Hoock sieht das eher kritisch: „Da liegt viel im Individualverhalten der Verbraucher. Die Vonovia stellt den Endverbrauchern lediglich die Daten zur Verfügung und bietet die Möglichkeit, ihre individuellen Wärmeverbräuche zu kontrollieren und anzupassen.“

Einen Vorteil sieht Hoock bei Mieterwechseln: Die Daten für Ein- und Auszug seien einfach zu ermitteln und zu übermitteln. Auch ließen sich mit den Daten Fehlfunktionen in Heizsystemen lokalisieren und die Serviceteams gezielt beauftragen. Das ermögliche eine frühzeitige Analyse von Gerätedefekten und deren Behebung. Und das wiederum unterstütze die Erstellung einer fehlerfreien Betriebs- und Heizkostenabrechnung nach den rechtlichen Rahmenbedingungen.

Der Artikel von Frank Urbansky erschien am 06.05.2020 in der Zeitschrift „Die Wohnungswirtschaft“ im Haufe Verlag. Zum Original-Artikel