Infrastruktur Wärme: Geothermie als Antwort auf Europas Gaskrise
Mehr als 1200 TeilnehmerInnen aus über 45 Ländern hatten sich am 18.10.2022 in Berlin versammelt, um das geothermische Jahrzehnt einzuläuten. Die Geothermie ist die europäische Antwort auf die Gaskrise, denn sie ist grundlastfähig und kann effizient zur Wärmeversorgung, Stromproduktion und Kühlung eingesetzt werden. Mit der nachhaltigen Koproduktion von Lithium wird Geothermie die Energiewende zusätzlich stützen.
Die Wohnungswirtschaft ist hier teils Akteur, teils abwartender Zuschauer. In überschaubarem Umfang finden erste eigene Geothermie-Projekte zur autarken Entwicklung von Nahnetzen statt. Jedoch ist die Abhängigkeit von teils inaktiven „Dominatoren“ der regionalen Heizwärme schmerzlich: Setzen diese Tiefengeothermie nicht ein, steht das schlummernde Potenzial für die Versorgung mit Nullemissions-Heizwärme nicht zur Verfügung.
Immer mehr Unternehmen, Kommunen und Institutionen wenden sich jetzt der Geothermie zu, um ihre Wärmeversorgung langfristig zu sichern. Neue Investoren steigen in den Geothermiesektor ein und suchen nach Wegen, um in neue oder laufende Projekte zu investieren oder bestehende Anlagen als Teil ihres Portfolios zu erwerben. Der Eintritt neuer Akteure ist eine gute Nachricht für die Geothermiebranche und verdeutlicht das Wachstumspotenzial, das in Zeiten instabiler Strom- und Gaspreise immer größer wird. Mehr als die Hälfte der in Europa 2020 neu in Betrieb genommenen Projekte sind dem Wärme- und Kältebereich zuzuordnen. Der Absatz von Erdwärmepumpen erreichte Rekordwerte – 73 % Zuwachs in Frankreich, 59 % in Österreich, 35 % in Belgien und 10 % in Deutschland. Mit der Tiefen und der Oberflächennahen Geothermie ist Europa im Begriff, diese Energiereserve zu erschließen und ein Vorbild für die dringend notwendige klimafreundliche Energiewende zu werden.
Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke München und Präsident des Bundesverbands Geothermie, fordert: „Wissenschaftliche und technische Grundlagen sind die Basis für den Transformationsprozess. Sie sollten von der Politik auf EU-, Bundes- und Landesebene positiv begleitet werden, mit einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, finanzieller Unterstützung und technologiefreundlicher Kommunikation. Ermöglichen Sie den Transformationsprozess!“
Dr. Dominik Schäuble, Referent für regenerative Energien beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berichtete dazu auf der Tagung „Vision CO2-neutrales Quartier“ in Potsdam: „Tiefengeothermie ist aktuell das heißeste Thema in all unseren Abteilungen im Ministerium in Bezug auf Langfrist-Optionen zur Gestaltung der Wärmewende“.
Robert Habeck hat nun eine nationale Erdwärmestrategie angekündigt. In Frankreich wird Präsident Emmanuel Macron die Wärmeversorgung des symbolträchtigen Elysée-Palasts noch in diesem Jahr auf Geothermie umstellen. Einige finanzstarke Städte und Metropolregionen in Europa kündigten bereits umfangreiche Investitionen in geothermische Fernwärmeversorgung an, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Damit alle Kommunen und die Industrie von der Wärmewende durch Geothermie profitieren können, muss die Transformation auf politischer Ebene unterstützt werden. Es braucht effizientere und transparentere Genehmigungsprozesse, Bürgergenossenschaften, bessere Ausbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten für Fachkräfte und strukturierte finanzielle Unterstützungsmechanismen, um Investitionen weiterhin sicherzustellen. Miklos Antics, EGEC-Präsident, unterstreicht: „Die Geothermie muss Vorrang haben, um die negativen Folgen der Energiekrise abzuwenden“. Er fügt hinzu: „Die Regierungen müssen dringend die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Geothermie zur Mainstream-Lösung wird“.