Klimaziele in Wohngebäuden gefährdet – Studie sieht „riesige Förderlücken“
Quelle: Haufe Verlag, „DW Die Wohnungswirtschaft“ 06-20
Fließt nicht mehr Geld vom Staat in die energetische Sanierung von Mietwohnhäusern, werden die Klimaziele der Regierung nicht wärmemietneutral erreicht. Das ist ein Fazit einer Studie aus der Wohnungswirtschaft. Bis zu 14 Milliarden Euro pro Jahr wären ein Muss – die Förderlücke sei riesig.
Je nach Finanzierungsmodell bewegt sich die „riesige staatliche Förderlücke“ bei der energetischen Sanierung von Mietwohngebäuden im höheren einstelligen oder niedrigeren zweistelligen Milliardenbereich, heißt es in der Studie, die von drei Verbänden der Wohnungswirtschaft bei Prof. Dr. Sven Bienert vom IREBS Institut für Immobilienwirtschaft (Universität Regensburg) in Auftrag gegeben wurde.
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW, der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) hatten zuvor im Rahmen ihres gemeinsamen Papiers „Wohngebäude: Klimaziele sozialverträglich erreichen“ berechnet, dass zwischen sechs und zehn Milliarden Euro Fördergelder pro Jahr nötig wären, um die energetische Sanierung des Mietwohnungsbestandes bei warmmietneutraler Mietanpassung stemmen zu können.
Studienautor Bienert kommt nach eigenen Berechnungen sogar zu dem Ergebnis, dass zwischen 6,1 und 14 Milliarden Euro jährlich zur Förderung des klimaneutralen Gebäudebestands zur Verfügung gestellt werden müssten. Berücksichtige man die aktuell verfügbaren Mittel der staatlichen Förderbank KfW, liege der Fehlbetrag zwischen 5,3 und 13,2 Milliarden Euro.
„Sowohl das Konjunkturprogramm der Bundesregierung als auch die europäischen Hilfen sollten vor allem als Klimaschutzprogramme gedacht werden“, so DV-Chef Michael Groschek. Die Förderung der energetischen Gebäudesanierung müsse dabei ein wichtiger Bestandteil sein.
Fehlende Fördermittel – höhere Mietbelastungsquote in Deutschland
Wenn der Staat diese Mittel für die energetische Gebäudesanierung nicht zur Verfügung stelle, können die Klimaziele – den CO2-Ausstoß bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken – nicht warmmietenneutral erreicht werden, teilen die Verbände mit. Müssten die Vermieter enorme Summen aus eigener Tasche in die Effizienzsteigerung ihrer Wohnungen stecken, würden die dadurch bedingten Mietsteigerungen deutlich höher ausfallen als die Einsparungen auf Mieterseite.
„Aktuell sanieren wir uns insbesondere in den Metropolen systematisch den günstigen Wohnraum weg. Mit diesem Konflikt zwischen leistbaren Mieten und Klimazielen dürfen Vermieter und Mieter nicht einfach allein gelassen werden“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko, einer der Auftraggeber der Studie. Statt extrem teurer Effizienzmaßnahmen müssten neue, energiesparende Modelle gefördert und Mieterstrom von den steuerlichen Hürden befreit werden.
Die Mietbelastungsquote deutscher Mieter ist im internationalen Vergleich bereits hoch. Mehr als 15 Prozent der Haushalte haben der IREBS-Studie zufolge heute schon einen Wohnkostenanteil von mehr als 40 Prozent in Relation zum Nettoeinkommen. Im untersten Einkommensquantil sind es knapp die Hälfte der Haushalte, die Wohnkostenanteile oberhalb der Belastungsgrenze notieren. Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen würden zu weiteren signifikanten Steigerungen der Mietbelastungsquoten führen, so Wissenschaftler Bienert – nach Modellrechnungen wurde die Quote um mindestens sechs Prozentpunkten wachsen.
„Mietsteigerungen dürfen nicht höher ausfallen als die eingesparten Heizkosten. Denn nur dann führt die Verfolgung der ohne Zweifel wichtigen Klimaziele nicht zu einer noch höheren Wohnkostenbelastung und dadurch zu einem steigendem Armutsrisiko für einen Teil der Mieterschaft“, ergänzt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Die energetische Sanierung sollte daher nach dem Prinzip der Warmmietenneutralität erfolgen.
Alternative technische Lösungen, Förderinstrumente und ergänzende Forschung
Günstiger ließen sich die Klimaschutzziele erreichen, wenn für die geförderten Sanierungen weniger hohe Wärmeschutzstandards verlangt würden und für die notwendige CO2-Einsparung alternativ mehr „grüne“ Versorgungslösungen zum Einsatz kommen, sind sich die Verbandschefs einig: Etwa CO2-freie Wärmenetze, lokale Solarenergienutzung oder Wärmepumpen.
In den Berechnungen der Studie wurde angesichts des großen vom Gebäudebereich geforderten Beitrags eine hohe Sanierungsrate von zwei Prozent auf KfW-55-Effizienzhausniveau gewählt, die im Einklang mit der Zielstellung des Bundes steht. Dies bewirke dann eine Absenkung der CO2-Emissionen von 13,5 Millionen Tonnen pro Jahr in diesem Bereich. Dieses Einsparungsniveau im Mietwohnungssektor würde bereits ausreichen, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. „Es macht aber auch ein extrem hohes Förderniveau notwendig“, schreibt Professor Bienert.
Mit Blick auf die konkreten Förderinstrumente zeigt die Studie, dass statt der bisherigen pauschalen Fördersätze differenzierte Förderungen von Maßnahmen an der Gebäudehülle sinnvoll sein könnten. Das würde die Anreize zur Sanierung von weniger häufig modernisierten Gebäudeteilen erhöhen und die durchschnittlichen Sanierungsraten steigern. Zu den spezifischen Sanierungskosten in unterschiedlichen Segmenten wären allerdings noch ergänzende Forschungen notwendig.
Ordnungsrechtliche Maßnahmen unter aktuellen Bedingungen keine Lösung
Um energetische Mindeststandards zu erreichen, reißt Bienert in der Studie auch das Thema „Pönalisierung“ an. Denkbar sei es, dass als Strafe bei einer Unterschreitung der Mindeststandards ein Vermietungsverbot verhängt wird, wenn dadurch nicht hohe (zusätzliche) finanzielle Belastungen für den Vermieter entstehen und auch die Belange des sozialen Wohnungsbaus gewährleistet sind.
Die Verbände GdW, DV und DMB stellen klar, dass der Studienautor die ordnungsrechtliche Maßnahme „zusätzliche energetische Mindestanforderungen und deren Pönalisierung durch Vermietungsverbote“ als Lösung des Dilemmas nur unter Einschränkungen ins Spiel gebracht hat: Massive Aufstockung der Fördermittel, lange Übergangsfristen, soziale Komponenten und Ausnahmeregelungen. Unter den derzeit geltenden Rahmenbedingungen halten die Verbände und der Studienautor eine Bestrafung für keine sinnvolle Lösung.
„Sollte die Bundesregierung über die aktuellen Beschlüsse hinaus ein vergrößertes Fördervolumen bewilligen, so muss diesem ein erweitertes Förderprogramm mit praxisorientierter und bedarfsgerechter Ausgestaltung zu Grunde gelegt werden“, schreibt Bienert in seiner Studie abschließend.