EPBD-Umsetzung der GroKo: Ernüchterung auf den Berliner Energietagen

Wir hatten bereits vor ziemlich genau einem Jahr über die Umsetzung der EPBD-Richtlinie berichtet und unserer Skepsis bezüglich der Handlungskraft unserer GroKo Ausdruck gegeben. Ein Jahr später sehen wir Licht und Schatten in den Vorträgen der politisch Verantwortlichen anlässlich der Berliner Energietagen:

Thomas Herdan, Leiter Abteilung II (Energiepolitik – Wärme und Effizienz) im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), konnte sich nur noch in Sarkasmus flüchten: Herdan nannte den Umgang mit der Jugend in seinem Vortrag zu den Berliner Energietagen am 21.05.2019 als “Armutszeugnis”, ließ aber erkennen, dass er das Thema aufnehme und in den Dialog gehe. Als “Morgengabe” brachte er dem überraschten Publikum die Ankündigung zur Aussendung des Gelbdrucks des GEG mit: Dieser solle binnen 10 Tagen an Fachverbände und -institute zwecks Stellungnahme gehen. Mit Stand vom 28.05. hat Herdan nun Wort gehalten: Der Gesetzentwurf wurde ankündigungskonform versandt.

Die aktuellen Hintergründe lassen sich wie folgt zusammen fassen: Wie alle anderen Mitgliedsländer muss auch Deutschland die europäischen Vorgaben für energieeffiziente Gebäude erfüllen. Die EU-Gebäuderichtlinie 2010 – in Fachkreisen ist sie eher unter ihrer englischen Abkürzung bekannt “EPBD” Energy Performance of Building Directive – verpflichtet uns den wort-wörtlich-übersetzten “Nahezu-Null-Energie-Neubaustandard” (Englisch: Nearly-Zero-Energy Building”) einzuführen und zwar nach folgendem Zeitplan: öffentliche Neubauten: ab. 1. Januar 2019 (gescheitert an der unbeantworteten Frage der “Wirtschaftlichkeit” zwischen den Ressorts BMU, BMI und BMWi), alle anderen Neu- und Bestandsbauten: ab 1. Januar 2021. Auch dieses Datum wird wohl “gerissen” werden. Ein Scheitern der pünktlichen Umsetzung ist abzusehen, da die Umsetzung der EPBD-Richtlinie schon jetzt einer “ersten Novellierung” des noch nicht einmal dem Bundestag vorgelegten Gesetz vorbehalten wird (Dr. Andrea Vilz, Referatsleiterin, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR auf den Berliner Energietagen auf Nachfrage)

Peter Rathert, Ministerialrat und zuständiger Referatsleiter aus dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), konnte auf Nachfrage mit dem Begriff der “Energievermeidung” offensichtlich nichts anfangen. Gemeint waren alle Maßnahmen, die dazu führen, dass Energie gar nicht erst produziert werden muss. Kein erstrebenswertes Ziel anscheinend! Die Förderung solcher Ziele? Kein Thema, stattdessen kommt “nur” die CO2-Steuer ins Spiel.

Der Ansatz der Jugend, dass ja nicht besteuert werden muss, was gar nicht erst produziert wird, entgeht Rathert offenbar wie so vielen anderen politischen Verantwortlichen auch. Stattdessen bezog sich Rathert auf das weiter notwendige “Anhören von Gutachtern”. Prima! Es gab mal Gestalter in Deutschland, die sich selbst vor Entscheidungen gestellt haben. Doch diese Generation ist nun offensichtlich abgelöst von einer Riege von Nicht-Entscheidern, die ein mögliches späteres Scheitern vorauseilend auf die schlechten Ratschläge schuldiger Externer schieben möchten. Wird die Umsetzung von EU-Richtlinien nun zur Gorch Fock II?

Gern verschweigen die politisch Verantwortlichen auch die Konsequenzen des Artikel 8 des EPBD zu gebäudetechnischen Systemen: Die Mitgliedstaaten legen zur optimalen Energienutzung durch die gebäudetechnischen Systeme Systemanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz, die ordnungsgemäße Installation und angemessene Dimensionierung, Einstellung und Über­wachung der gebäudetechni-schen Systeme fest, die in bestehen­den Gebäuden eingebaut werden. Die Mitgliedstaaten können diese Systemanforderungen auch auf neue Gebäude anwenden.

Fazit: Wie befürchtet, steht sich die GroKo mit vorauseilend identifizierten Schuldzuweisungen mal wieder selbst im Weg und reißt wichtige Gesetzes-Umsetzungstermine. Unsere Nachbarn in Österreich, Belgien und Holland umgeben uns mit konstruktiv-innovativen Vorschlägen und Aktionen zur Gestaltung des Klimawandels:

So hat Österreich landesweit die Intiative “SRI” gestartet: Die EU möchte auf Basis des „Clean Energy for All Europeans“ Maßnahmenpakets im Gebäudebereich intelligente Technologien mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien und mit Energieeffizienz verschränken. Dazu soll auch die Bewertung der „smart readiness“ durch einen Indikator beitragen, um die Gebäude fit für die zukünftigen Anforderungen in erneuerbaren Energienetzen und die Bedürfnisse der NutzerInnen zu machen. Landesweit wird der Vorschlag eines SRI Austria ausgearbeitet. Österreichische Technologieanbieter, Energiedienstleister, ExpertInnen und weitere relevante Stakeholder werden zu ihren Meinungen und zu Potentialen smarter Technologien befragt, ein Technologiescreening, eine Wirkungsanalyse und Klassifikation möglicher Technologien und Services durchgeführt, und der Einfluss von/ auf nationale Regelwerke untersucht.

Das vorliegende Projekt setzt somit – anders als hierzulande – den Artikel 8 EPBD landesweit bereits um und konzipiert einen österreich-spezifischen Smart Readiness Indikator auf EU-Basis als Bewertungsschema für intelligente Gebäude und nimmt ein Technologie- Rating mit Anforderungen an den Gebäudemarkt und als Entscheidungsgrundlage für die politische Umsetzung vor. Die Region Flandern ist da schon weiter. Aus den Niederlanden kommt das “Energiesprong”-Projekt, was weite Teile der Umsetzungen vorweg nimmt.

Die bundesdeutsche Opposition nimmt die erkennbare Fristenverkennung auf und bohrt in einer Anfrage vom 29.03.2019 nach. Mit Stand 31.05. ist dies aber noch unbeantwortet.

Zusätzlich Druck kommt nun von der EU durch die Amtsblatt-Verkündung einer dringlichen “Empfehlung” vom 08.05.2019: explizit wird hier nochmals die Priorität der Handlungsrahmen betont:

Da beinahe 50 % des Endenergieverbrauchs der Union auf das Heizen und Kühlen entfallen, und davon wiederum 80 % in Gebäuden verwendet werden, ist die Verwirklichung der Energie- und Klimaziele der Union mit deren Anstrengungen zur Renovierung der Gebäudebestände verknüpft, bei denen der Energieeffizienz Vorrang eingeräumt, der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ angewendet und der Einsatz erneuerbarer Energiequellen in Betracht gezogen wird.

Liebe Frau Umwelt-Ministerin: Machen Sie weiter Druck und lassen Sie sich von den Nicht-Gestaltern jetzt nicht mehr bremsen! Der Stillstand aller aktiven Verweigerer wird von der gestaltungs-fordenden Jugend als Hohn und Schlag ins Gesicht empfunden. Jawohl! Machen Sie was! Lassen Sie Gestaltung erkennen und zeigen Sie den Verhinderern, Zögerlingen und “Auf-Gutachter-Wartern” die rote Karte!

Lieber Herr Herdan: Danke für die Ankündigungs-Konformität. Auch wenn dies nur ein winziger Schritt war: Wir sind ja so dankbar, dass sie sich doch bewegt, die GroKo. Bitte mehr davon!